Rundschreiben 11.7.2000

 

Am 07./08. Juli 2000 traf sich in Berlin-Wannsee auf Inititative des dort taetigen RA Murk Muller (dieser hollaendische Name wird in etwa wie "Moerk Moeller" ausgesprochen) eine Gruppe aus Anwaelten, Vertretern von Unternehmen im Bereich Kanzleisoftware beziehungsweiseRechtsinformation sowie mit einem Teilnehmer aus dem universitaeren Bereich, um sich ueber Kanzleisoftware der naechsten Generation Gedanken zu machen. Neben neuen Konzepten des Wissensmanagements, neuen Anwaltsprogrammen und der Entwicklung im LINUX-Bereich galt das Interesse vor allem dem zukuenftigen Einsatz von XML in der Rechtspflege.     

XML steht als Akronym fuer "eXtensible Markup Language" und bezeichnet ein Konzept zur Codierung von Dokumenten. Dabei werden natuerlichsprachlichen Textpassagen, die ein Computer nicht inhaltlich "versteht", in spitze Klammern "<", ">" eingeschlossene metasprachliche "Auszeichnungen" hinzugefuegt, die einem IT-System maschinell verwertbare Hinweise auf die Art und ggfs. sogar auf  den Inhalt des eingeschlossenen natuerlichsprachlichen Textes geben. Beispiel: 

<KLAGESCHRIFT>
  [...]
  <KLAGEANTRAG>
    Es wird beantragt, den Beklagten zur Zahlung von DEM 50.000,-- zu
    verurteilen
  </KLAGEANTRAG>
  [...]
</KLAGESCHRIFT>

Dieser Ausschnitt aus einer laengeren Klageschrift soll deutlich machen, dass es mit XML moeglich ist, einzelne Informationen durch sogenannte "Tags", hier: "<KLAGEANTRAG>" fuer den Beginn eines Klageantrages, und "</KLAGEANTRAG>" fuer das Ende eines Klageantrages, zu kennzeichnen. Dies kann u.a. dazu benutzt werden, bestimmte Informationen aus komplexen Textdokumenten zu extrahieren und automatisch in Datenbanken einzuspeisen.
Der Anwendungsbereich fuer XML-Dokumente in der Rechtspflege duerfte sich in der Praxis wohl auf zwei Bereiche konzentrieren:
a) elektronischer digitaler Dokumentenaustausch zwischen Amt bzw. Gericht auf der einen Seite und Prozessvertretern auf der anderen Seite sowie Kommunikation zwischen Anwaelten (z.B. bei Korrespondenzmandaten), sowie

b) Strukturierung von Rechtsquellen und Gerichtsentscheidungen.

Vorteile durch den Einsatz von XML sind u.a.:

a) Die inhaltliche digitale Codierung eines Dokumentes und dessen aeusserliche Praesentation werden entkoppelt. Ein XML-Dokument stellt zunaechst eine inhaltliche Strukturierung eines Textes dar. Mit Hilfe von geeigneten Konzepten (CSS, XSL) koennen aus einem XML-Dokument anwendungsabhaengige Ansichten (="Formatierungen") hergestellt werden. Herkoemmliche Textverarbeitungssoftware ermoeglicht im Gegensatz dazu die Festlegung der Praesentation, nicht aber eine automatisch auswertbare inhaltliche Strukturierung eines Textes.

b) Der Informationsgehalt digitaler Dokumente wird durch XML nicht nur von der IT-Hardware und vom Betriebssystem, sondern auch von der verwendeten Software abgekoppelt: XML ist keine spezielle Software, sondern ein offener Standard, fuer den es eine breite Palette von Software-Tools verschiedener Hersteller gibt.

c) XML erleichtert durch seine Faehigkeit, Texte inhaltlich in automationsgerechter Weise zu strukturieren, zahlreiche Automationsprojekte in Gerichten, Behoerden und Anwaltskanzleien.

d) Der verwendete Zeichensatz und dessen digitale Codierung sind mittels XML sehr genau beschreibbar. Die eindeutige Darstellung von Umlauten, Sonderzeichen, Formeln und sogar auslaendischen Schriften (kyrillisch, hebraeisch, japanisch usw.) ist moeglich.

Die normative technische Referenz fuer XML findet sich unter

  http://www.w3.org/TR/1998/REC-xml-19980210

Hinweise auf beanchbarte Gebiete, insbesondere Manipulationstechniken
fuer XML-Dokumente, finden sich u.a. unter

  http://www.w3.org/XML/#9802xml10

Software-Werkzeuge fuer XML finden sich u.a. unter

  http://www.infotek.no/sgmltool/guide.htm

Zur Einfuehrung besonders geeignet ist die Zusammenstellung unter:

  http://www.heise.de/ix/raven/Web/xml/

Ebenfalls von Interesse ist

  http://www.oasis-open.org/

Damit XML in der Rechtspflege sinnvoll eingesetzt werden kann, muessen bereichsspezifische Verabredungen getroffen werden. Beispielsweise muessen sich zwei Anwaelte, die XML-Dokumente austauschen wollen, sich zuvor auf die zulaessigen Tags und auf deren Bedeutung einigen. Ebenso setzt die Verwendung von XML zum Einreichen von Schriftsaetzen bei Aemtern und Gerichten voraus, dass zuvor entsprechende Vorgaben sinnvoll erarbeitet und festgelegt worden sind.
Bislang gibt es in der Bundesrepublik Deutschland nur vereinzelt Individuen und kleine Gruppen, die sich mit der Problematik der Anpassung von XML an die Beduerfnisse der Rechtspflege befassen. Wie so oft im IT-Bereich haben auch hier die U.S.-Amerikaner die Nase vorn. Seit ungefaehr zwei Jahren gibt es dort eine von Winchel 'Todd' Vincent, III, Esq., von der Georgia State University koordinierte Aktivitaet, die sich als "LEGLXML.ORG" der interessierten Oeffentlichkeit praesentiert:   

  http://www.legalxml.org/

Um so erfreulicher war es daher, dass Todd Vincent die Muehe einer Reise nach Berlin nicht gescheut hat, um an dem Berliner Treffen teilzunehmen. Um fortan die Diskussion um den Einsatz von XML in Deutschland zu intensivieren, wurde vereinbart, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die die lokalen Besonderheiten der Rechtspflege in der Bundesrepublik Deutschland beruecksichtigt, dabei aber in einem fachlichen Kontakt zur LEGALXML.ORG-Gruppe steht. Diese Gruppe ist unter

  http://www.lexml.de

im Web praesent. Die Arbeitsgruppe will sich zunaechst als "virtuelle Community" ueber das Internet koordinieren und hat dazu zwei Mailing-Listen eingerichtet. Eine interne erste Mailing-Liste dient dem Austausch zwischen solchen Interessenten, die sich der Arbeitsgruppe aktiv angeschlossen haben. Eine zweite Mailing-Liste ist oeffentlich und kann unter 

  XMLJUR-L@LEXML.DE

erreicht werden. Jede an diese Adresse gerichtete Nachricht wird sofort an alle Listenteilnehmer gesandt, d.h. die Liste ist unmoderiert. Um diese Liste zu subscribieren, sendet man eine e-Mail an die *Verwaltungsadresse* der Mailing-Liste, naemlich

  xmljur-l-subscribe@topica.com,

*NICHT* jedoch an die Listenadresse XMLJUR-L@LEXML.DE. Das automatische Austragen aus der Liste geschieht entsprechend durch Absenden einer Nachricht an die *Verwaltungsadresse* der Mailing-Liste, naemlich

  xmljur-l-unsubscribe@topica.com.

Diese Mailing-Liste war im Jahre 1999 von PA Axel H Horns als XMLJUR- L@LISTSERVICE.NET begruendet worden, hatte jedoch u.a. infolge eines erzwungenen Providerwechsels noch nicht zu einer "kritischen Masse" von Interessenten gefuehrt.

Die Arbeitsgruppe wuerde sich ueber Interesse und Mitarbeit und Zuwachs insbesondere aus Kreisen von Anwaelten, Gerichten, Aemtern und Softwarefirmen freuen.  

Es ist vorgesehen, zunaechst ein Modellszenario zu untersuchen und durch Analyse von heute per Papierform transferierten Dokumenten dokumenttypspezifische DTDs (DTD="Document Type Definition") oder Strukturen unter Nutzung von XML Schema zu erstellen. Dabei ist bislang lose angedacht, am Rande des 9. deutschen EDV-Gerichtstages vom 20. bis 22. September 2000 

  http://edvgt.jura.uni-sb.de/Tagung00/Tagung00.html

ein Treffen ("face-to-face meeting") zu organisieren, zumal auf dem Gerichtstag ohnehin eine Sitzung zum Thema XML stattfinden wird. Naeheres dazu muss allerdings erst noch festglegt werden.  Dies erscheint auch deshalb sinnvoll, da der offizielle Teil unter dem Rahmentitel "E- Justice", Untertitel: "Elektronischer Rechtsverkehr und e-Commerce" stehen wird. 

Anfragen koennen insbesondere gerichtet werden an:

  info@lexml.de 
  mm@mmrecht.com (RA Murk Muller)

oder an

Axel H. Horns
Patentanwalt